Herzhelfer 15: Der Herzalter-Test und ausgewählte Risikofaktoren
Teil II: Blutdruck, BMI und Nüchtern-Blutglucose
Im letzten Herzhelfer #14 haben wir Dich darüber informiert, was es mit dem Herzalter-Test eigentlich auf sich hat. Außerdem haben wir die Blutfettwerte genau unter die Lupe genommen: LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin und Triglyceride. Welche Grenzwerte gibt es und was ist zu tun, wenn einer Deiner Blutfettwerte erhöht ist? Das alles kannst Du hier nachlesen.
Nun soll es um drei weitere wichtige Risikofaktoren gehen, die in unserer Gesellschaft verbreiteter sind, als uns lieb ist. Es geht um erhöhten Blutdruck, Übergewicht (erhöhter BMI) und eine erhöhte Nüchtern-Blutglucose. Was heißt „erhöht“ bezüglich der jeweiligen Parameter und was ist im Fall der Fälle zu tun?
Blutdruck
Weltweit leidet mehr als eine Milliarde Menschen an Bluthochdruck. Je älter eine Person, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Bluthochdruck (1,2).
Wann ist mein Blutdruck erhöht?
Der Blutdruck wird wie folgt klassifiziert (1):
- normal: < 130/85 mmHg
- hochnormal: 130-139/85-89 mmHg (bzw. Prähypertonie 120-139/80-89 mmHg)
- Bluthochdruck Grad 1: 140-159/90-99 mmHg
- Bluthochdruck Grad 2: 160-179/100-109 mmHg
- Bluthochdruck Grad 3: ≥ 180/110 mmHg (bzw. Hypertonie Stufe 2: ≥ 160/100 mmHg)
- isolierter systolischer Bluthochdruck: ≥ 140/< 90 mmHg
Jede Erhöhung des systolischen Blutdrucks um 20 mmHg verdoppelt in etwa das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen. Patienten mit einer Prähypertonie haben im Vergleich zu Patienten mit normalen Werten ein zweifach erhöhtes Risiko, eine Hypertonie zu entwickeln (1).
Ist mein Zielwert für den Blutdruck abhängig davon, ob ich andere Erkrankungen habe?
Ja! Es gibt unterschiedliche Zielwerte für den Blutdruck, je nachdem, wie hoch Dein Herzinfarktrisiko ist oder welche Vorerkrankungen Du hast. Das Hauptziel einer blutdrucksenkenden Therapie ist es deshalb, die Wahrscheinlichkeit dafür zu senken, Herz-Kreislauf (Schlaganfall, Herzinfarkt) – und Nierenerkrankungen zu erleiden und daran zu sterben (1). Du möchtest mehr über Herzinfarkt und Schlaganfall erfahren? Dann lies‘ dazu hier und hier nach.
- In den europäischen Leitlinien wird für gesunde Menschen zwischen 18 und 65 Jahren ein Zielwert von < 140/90 mmHg angegeben (2). Die Empfehlungen der amerikanischen Fachgesellschaften liegen niedriger (3):
- normal: < 120/80 mmHg
- erhöht: 120-129/< 80 mmHg
- Hypertonie Stufe 1: 130 -139/80-89 mmHg
- Hypertonie Stufe 2: ≥ 140/90 mmHg
- Wenn Du ein hohes Herzinfarktrisiko (hier bestimmen) hast, sollte Dein Blutdruck möglichst unter 130/85 mmHg liegen (1).
- Bei Patienten mit Bluthochdruck und Diabetes, einer Nierenerkrankung oder einer zerebrovaskulären Krankheit sollte die blutdrucksenkende Therapie besonders intensiv sein (Ziel: <130/80 mmHg). Bei Diabetikern sollte eine blutdrucksenkende Behandlung unmittelbar nach dem Auftreten einer Prähypertonie begonnen werden (1).
Lohnt sich eine Blutdrucksenkung für mich?
Aber natürlich! Eine frühzeitige Senkung eines übermäßig erhöhten Blutdrucks kann die Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall um 35 bis 40 %, von Herzinfarkten um 20 bis 25 % und von Herzversagen bis über 50 % senken (1).
Was ist zu tun, wenn mein Blutdruck erhöht ist?
Um einem erhöhten Blutdruck vorzubeugen oder diesen zu senken, solltest Du generell immer in erster Linie Deinen Lebensstil gesünder gestalten. Damit kannst Du Deinen erhöhten Blutdruck senken, die Wirksamkeit blutdrucksenkender Medikamente erhöhen und Dein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermindern. Zu den wirksamsten Maßnahmen zählen die Einschränkung des Alkoholkonsums bzw. ein kompletter Alkoholverzicht, eine herzgesunde, natriumarme und kaliumreiche Ernährung, ein Rauchverzicht, der Erhalt eines normalen Körpergewichts oder Gewichtsreduktion bei Übergewicht und regelmäßige Bewegung (1).
Wird Dein Blutdruck mithilfe des gesunden Lebensstils nicht auf das gewünschte Maß gesenkt, wird Dein Arzt in der Regel eine medikamentöse Therapie in Betracht ziehen. Auch unter einer medikamentösen Therapie sollten die Lebensstiländerungen fortgesetzt werden (4).
Ausführliche Informationen über Blutdruck findest Du hier und hier.
Body-Mass-Index
Der Body‑Mass‑Index (BMI) ist eine errechnete Maßzahl zur Bewertung des Körpergewichts im Verhältnis zur Körpergröße (5). Eine Beispielrechnung:
Ein Mann ist 80 kg schwer und 1,80 m groß. Sein BMI berechnet sich wie folgt:
80 kg/(1,8m*1,8m) = 24,69 kg/m²
Der BMI ist das gebräuchlichste Maß zur Ermittlung von Übergewicht und Adipositas und den damit einhergehenden Risiken. Der BMI wird wie folgt klassifiziert (1,4):
- Untergewicht: < 18,5 kg/m²
- Normalgewicht: 18,5 bis 24,9 kg/m²
- Übergewicht: 25 bis 29,9 kg/m²
- Adipositas: ≥ 30 kg/m²
In den europäischen Leitlinien wurde ein BMI zwischen 20 und 25 kg/m² als Behandlungsziel festgelegt (6).
Exkurs: Waist-Hip Ratio
Ergänzend zum Taillenumfang kann auch das Verhältnis von Taillenumfang zu Hüftumfang (eng. Waist-Hip-Ratio) zur Beurteilung der Körpermasse berechnet werden. Ein erhöhtes metabolisches Risiko besteht laut Weltgesundheitsorganisation (7) bei einer Waist-hip Ratio von – ≥ 0.90 bei Männern und – ≥0.85 bei Frauen. |
Der Taillenumfang
Der Taillenumfang ist eine einfache Alternative zum BMI. Ein höherer Taillenumfang geht häufig mit Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einher (4). Als normal gilt ein Taillenumfang von unter 94 cm bei Männern und unter 80 cm bei Frauen (1). Ein erhöhtes Risiko für eine Koronare Herzkrankheit besteht bei folgendem Taillenumfang (4):
- Männer: 94 bis 101 cm
- Frauen: 80 bis 87 cm.
Ein stark erhöhtes Risiko für eine koronare Herzkrankheit besteht bei folgendem Taillenumfang (4):
- Männer: ≥ 102 cm
- Frauen: ≥ 88 cm.
BMI vs. Taillenumfang: Was ist besser?
Exkurs: Das Metabolische Syndrom
Oft sind mehrere Risikofaktoren miteinander kombiniert. Bei einer Kombination der gefährlichsten Risikofaktoren für Herzinfarkte, nämlich – Diabetes/erhöhte Nüchternblutglucose, – übermäßige Fettansammlungen am Bauch, – einem ungünstigen Blutlipidprofil und – einem hohen Blutdruck sprechen Mediziner vom sog. Metabolischen Syndrom (8). Aktuell finden zwei Definitionen des Metabolischen Syndroms international Anwendung: Laut internationalem Diabetes Verband (IDF) wird das Metabolische Syndrom wie folgt definiert (6): – zentrales Übergewicht (definiert nach Taillenumfang (siehe oben)) + zwei der folgenden vier Faktoren: – erhöhte Triglyceride (≥ 150 mg/dl) oder medikamentöse Behandlung – reduziertes HDL-Cholesterin (< 40 mg/dl bei Männern und < 50 mg/dl bei Frauen) oder medikamentöse Behandlung – erhöhter Blutdruck (systolisch ≥ 130 mmHg oder diastolisch ≥ 85 mmHg) oder medikamentöse Behandlung – erhöhte Nüchtern-Plasmaglucose (≥ 100 mg/dl) oder diagnostizierter Typ 2 Diabetes mellitus Nach einem Konsensuspapier internationaler Fachgesellschaften (9), liegt ein Metabolisches Syndrom vor, wenn drei der folgenden fünf Kriterien erfüllt sind: – erhöhter Taillenumfang (populations- und landesspezifische Grenzwerte) – erhöhte Triglyceride (≥ 150 mg/dl) oder medikamentöse Behandlung – reduziertes HDL-Cholesterin (< 40 mg/dl bei Männern und < 50 mg/dl bei Frauen) oder medikamentöse Behandlung – erhöhter Blutdruck (systolisch ≥ 130 mmHg oder diastolisch ≥ 85 mmHg) oder medikamentöse Behandlung bei bekannter Hypertonie – erhöhte Nüchtern-Plasmaglucose (≥ 100 mg/dl) oder medikamentöse Behandlung |
Häufig werden von Experten die Vor- und Nachteile des BMI im Vergleich zum Taillenumfang diskutiert. Die PROCAM‑Studie hat gezeigt, dass beide Verfahren bei der Diagnose des Metabolischen Syndroms ein hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen (5).
Man ist oft überrascht, wie unterschiedlich das Risikoprofil für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei krankhaft übergewichtigen Personen mit einem ähnlichen BMI ist. Die beobachteten Unterschiede sind darauf zurückzuführen, dass nicht die absolute Fettmenge, sondern deren Verteilung im Körper entscheidend ist. Besonders die Fettansammlung im Bauchbereich geht mit kardiovaskulären Komplikationen einher. Studien zum Taillenumfang und zur Waist-hip-Ratio haben gezeigt, dass ein Anstieg von einem oder beiden Faktoren das mit einem Typ 2 Diabetes mellitus verbundene koronare Risiko weiter erhöht, unabhängig vom BMI. Daher liefert die Messung des Taillenumfangs Informationen, die über eine auf dem BMI allein basierende Risikoeinschätzung hinausgeht (1). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Taillenumfang richtig gemessen wird. Die Messung ist zwar augenscheinlich einfach, wird jedoch, besondere wenn Laien ihren eigenen Taillenumfang messen, oft nicht richtig ausgeführt, was zu falschen Messergebnissen führt. Wenn Du Deinen Taillenumfang messen möchtest, lies‘ dazu unsere Tipps hier nach oder wende Dich beim nächsten Arztbesuch an Deinen Arzt.
Was ist zu tun, wenn mein BMI oder Taillenumfang erhöht ist?
Wenn Dein BMI oder Taillenumfang erhöht ist, solltest Du Dein Körpergewicht reduzieren. Das Ziel einer Gewichtsreduktion ist es in der Regel, Dein Ausgangsgewicht innerhalb von 6 Monaten um 10 % zu reduzieren. Dabei solltest Du möglichst 0,5 bis 1 kg pro Woche an Gewicht verlieren. Nach einer erfolgreichen Gewichtsreduktion gilt es, das neue, niedrigere Körpergewicht beizubehalten (4).
Um das zu schaffen, musst Du Deine Lebensgewohnheiten dauerhaft ändern: Dazu zählen eine gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Bewegung (4). Sprich‘ am besten mit Deinem Arzt oder einer Ernährungsfachkraft über eine Strategie, wie Deine Gewichtsreduktion erfolgreich gelingen kann.
Hier und hier findest Du ausführliche Informationen rund um das Thema Übergewicht und Adipositas.
Erhöhte Nüchtern-Blutglucose
Dein Blutzuckerwert im nüchternen Zustand sollte unter 120 mg/dl liegen. Achtung: Dieser Grenzwert bezieht sich auf einen Nüchternblutzucker im Serum (10). In den verschiedenen Definitionen des metabolischen Syndroms (ATP III 2003, IDF 2005) wird eine Nüchtern-Blutglukose von ≥ 100 mg/dl als Grenzwert zugrunde gelegt (11).
Ausführliche Informationen rund um Diabetes mellitus, insbesondere zu Typ 2, findest Du hier.
Wir hoffen, mit diesem und dem vorigen Herzhelfer konnten wir Dir einen kleinen Einblick in die Welt der kardiovaskulären Risikofaktoren inklusive Grenzwerte und Therapieoptionen geben. Bitte beachte allerdings, dass dies nur allgemeine Informationen sind, die nicht mit ärztlichen Anweisungen oder Therapien gleichzusetzen sind. Versuche daher bitte niemals, Dich selbst anhand solcher Informationen zu therapieren. Wenn Du eine Vorerkrankung hast oder das Gefühl hast, das etwas nicht mit Dir stimmt, dann gehe in jedem Fall zum Arzt und lass‘ Dich untersuchen und ggf. behandeln. Egal, ob es sich um einen der genannten Risikofaktoren oder um eine ganz andere Sache geht.
Quellen
(1) International Task Force for Prevention of Coronary Heart Disease & International Atherosclerosis Society (2009): Prävention der koronaren Herzkrankheit. Thomson Reuters. ISBN: 978-848724260-7.
(2) B. Williams et al. (2018): 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension: The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Society of Hypertension (ESH). In: European Heart Journal, Vol. 39, Nr. 33, S. 3021-104. Online unter https://academic.oup.com/eurheartj/article/39/33/3021/5079119
(3) P.K. Whelton et al. (2017): 2017 ACC/AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA Guideline for the Prevention, Detection, Evaluation, and Management of High Blood Pressure in Adults. In: Journal of the American College of Cardiology, Vol. 71, Nr. 19. Online unter http://www.onlinejacc.org/content/71/19/e127?_ga=2.6584310.5377569.1601304598-1744276901.1594628848
(4) International Task Force for Prevention of Coronary Heart Disease & International Atherosclerosis Society (2003): Prävention der koronaren Herzkrankheit. Börn Bruckmeier Verlag GmbH. 1. Auflage. ISBN: 3-89862-905-8.
(5) Assmann-Stiftung für Prävention (2020): Übergewicht & Adipositas. Daten & Fakten. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/uebergewicht-und-adipositas/daten-fakten/
(6) F. Mach et al. (2020): 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk: The Task Force for the management of dyslipidaemias of the European Society of Cardiology (ESC) and European Atherosclerosis Society (EAS). In: European Heart Journal, Vol. 41, Nr. 1, S. 111-188. Online unter https://academic.oup.com/eurheartj/article/41/1/111/5556353
(7) World Health Organization (2011): Waist Circumference and Waist-Hip Ratio. Report of a WHO Expert Consultation. Geneva, 8-11 December 2008. Online unter https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/44583/9789241501491_eng.pdf?ua=1
(8) International Diabetes Federation (2006): The IDF consensus worldwide definition of the metabolic syndrome. Online unter https://www.idf.org/e-library/consensus-statements/60-idfconsensus-worldwide-definitionof-the-metabolic-syndrome
(9) K.G.M.M. Alberti et al. (2009): Harmonizing the Metabolic Syndrome. A Joint Interim Statement of the International Diabetes Federation Task Force on Epidemiology and Prevention; National Heart, Lung, and Blood Institute; American Heart Association; World Heart Federation; International Atherosclerosis Society; and International Association for the Study of Obesity. Joint Scientific Statement. In: Circulation, Vol. 120, S. 1640-5. Online unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19805654/
(10) Assmann-Stiftung für Prävention (2020): PROCAM-Tests. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/procam-tests/
(11) Assmann-Stiftung für Prävention (2020): Metabolisches Syndrom. Online unter https://www.assmann-stiftung.de/metabolisches-syndrom/