Die PROCAM-Studie

Die Grundlage des Herzalter-Tests sowie des PROCAM-Gesundheitstests und des PROCAM-Schlaganfalltests bildet die PROCAM-Studie (Prospective Cardiovascular Münster Study). Hierbei handelt es sich um eine große prospektive Beobachtungsstudie mit Schwerpunkt auf Herz- und Gefäßerkrankungen, die im Jahr 1978 am Institut für Arterioskleroseforschung an der Universität Münster von Prof. Dr. G. Assmann initiiert wurde. Im Rahmen der Studie wurde der Gesundheitsstatus von 50.000 Mitarbeitern von großen Unternehmen und Behörden im Nordwesten Deutschlands im Alter zwischen 16 und 78 Jahren über mehrere Jahrzehnte hinweg untersucht.

Aus den Studienergebnissen wurden neun Risikofaktoren für einen Herzinfarkt identifiziert, die das Herzinfarktrisiko unabhängig voneinander in unterschiedlichem Maße beeinflussen. Die wichtigsten Risikofaktoren sind neben dem Geschlecht das Lebensalter gefolgt von LDL-Cholesterin, dem Raucherstatus, HDL-Cholesterin, dem systolischen Blutdruck, frühzeitigen Herzinfarkten in der Familie, Diabetes mellitus und Triglyceriden. Unter Berücksichtigung der genannten Risikofaktoren wurden mehrere Algorithmen entwickelt, die die Basis für die PROCAM-Tests bilden. Diese Algorithmen ermöglichen es, das sogenannte Globalrisiko einer Person abzuschätzen, einen Herzinfarkt oder plötzlichen Tod durch eine koronare Herzkrankheit innerhalb der nächsten zehn Jahre zu erleiden. Von besonderer klinischer Bedeutung ist die Erkenntnis, dass das Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko nicht auf Basis eines einzelnen Risikofaktors bestimmt werden können, sondern das Gesamtrisiko unter Berücksichtigung mehrerer Risikofaktoren abgeschätzt werden muss.

Das Herzalter

Das biologische Alter einzelner Organe (z.B. des Herzens) und das tatsächliche Alter eines Menschen können mitunter stark voneinander abweichen. Wird das biologische Alter auf das Herz bezogen, so bezeichnet man dieses als Herzalter. Neben der erblichen Veranlagung und den verschiedenen kardiovaskulären Risikofaktoren wird der Alterungsprozess des Herzens auch vom Lebensstil beeinflusst. Je ungesünder der Lebensstil ist, desto schneller altert das Herz und umso größer ist die Gefahr, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden.

Im folgenden Beispiel wird schrittweise beschrieben, wie das Herzalter auf Basis des Risikos für einen Herzinfarkt innerhalb der nächsten 10 Jahre, welches mit dem PROCAM-Gesundheitstest ermittelt wurde, abgeleitet wird. Der PROCAM-Gesundheitstest gilt für Frauen und Männer im Alter von 20 bis 75 Jahren. Für die Testdurchführung werden Angaben zu unterschiedlichen Parametern (siehe Testperson des Beispiels) benötigt, die bei dem PROCAM-Herzaltertest identisch abgefragt werden.

Die Testperson:

  • ist männlich,
  • ist 50 Jahre alt,
  • hat einen systolischen Blutdruck von 160 mmHg,
  • hat keinen Diabetes,
  • raucht,
  • hat keine Eltern, Großeltern oder Geschwister, die vor dem 60. Lebensjahr einen Herzinfarkt erlitten haben,
  • hat einen LDL-Cholesterinwert in Höhe von 174 mg/dL,
  • hat einen HDL-Cholesterinwert in Höhe von 44 mg/dL,
  • und hat einen Triglyceridwert in Höhe von 100 mg/dL.

Auf Basis dieser Angaben liegt das Herzinfarktrisiko dieser Testperson bei 17,16 % in 10 Jahren.

In einem zweiten Schritt wird dann anhand der in Abbildung 1 dargestellten Tabelle das berechnete Herzinfarktrisiko mit dem Herzinfarktrisiko anderer Altersgruppen der PROCAM-Probanden abgeglichen. Da das mittlere Herzinfarktrisiko von 60-jährigen, männlichen Probanden aus der PROCAM-Studie bei 16,69 % liegt, wird das Herzalter unserer Testperson entsprechend auf 60 Jahre geschätzt. Somit liegt das geschätzte Herzalter unserer Testperson 10 Jahre über seinem tatsächlichen Alter von 50 Jahren und ist damit im Vergleich zu gleichaltrigen männlichen Probanden der PROCAM-Studie 2,05-fach erhöht.

Vom PROCAM-Gesundheitstest zum PROCAM-Herzalter

Abbildung 1: Transfer des Herzinfarktrisikos, abgeschätzt mithilfe des PROCAM-Gesundheitstests, am Beispiel des mittleren Herzinfarktrisikos von Männern, in das PROCAM-Herzalter

Risikoabschätzung

Auf Grundlage des PROCAM-Gesundheitstest können Personen ohne erkennbare Symptome in drei Risikogruppen eingeteilt werden (vgl. Abbildung 2 und 3):

  • hohes Risiko: ein Drittel aller Herzinfarkte treten bei Personen auf, deren 10-Jahres-Risiko für einen Herzinfarkt über 20 % liegt. In dieser Risikogruppe liegen 6 % aller Männer und 2 % aller Frauen zwischen 35 und 65 Jahren. Die Personen aus dieser Risikogruppe haben sehr oft schon eine subklinische Arteriosklerose.
  • mittleres Risiko: Bei Menschen, deren 10-Jahres-Risiko für einen Herzinfarkt zwischen 10 und 20 % liegt, treten ein Drittel aller Herzinfarkte auf. Zu dieser Risikogruppe gehören 14 % der Männer und 6 % der Frauen zwischen 35 und 65 Jahren.
  • niedriges Risiko: Trotz einem 10-Jahres-Risiko von unter 10 % treten ein Drittel aller Herzinfarkte in dieser Risikogruppe auf. Zu dieser Gruppe zählen 80 % aller Männer und 92 % aller Frauen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren.

Auch ein niedriges geschätztes Risiko sollte daher nicht als Garantie dafür aufgefasst werden, dass die betreffende Person in den nächsten 10 Jahren vor einem Herzinfarkt geschützt ist. Die Anwendung des Herzalter-Tests stellt keinen Ersatz oder Grundlage für eine individuelle ärztliche Beratung oder Untersuchung dar. Entsprechend dürfen die hier bereit gestellten Informationen nicht als Ersatz für ärztlichen Rat oder eine ärztliche Therapie interpretiert oder genutzt werden.

Abbildung 2: Risiko eines schwerwiegenden Koronarereignisses (Herzinfarkt, plötzlicher Herztod,) bei asymptomatischen Frauen im Alter von 45 bis 65 Jahren [1]

Abbildung 3: Risiko eines schwerwiegenden Koronarereignisses (Herzinfarkt, plötzlicher Herztod) bei asymptomatischen Männern im Alter von 35 bis 65 Jahren [1]


Quelle

[1] International Task Force for Prevention of Coronary Heart Disease und International Atherosclerosis Society (2009): Handbuch Prävention der koronaren Herzkrankheit. Thomson Reuters.