Herzhelfer 23: Vegan ohne Verzicht: Was können Ersatzprodukte?

Könntest Du auf Deinen Joghurt zum Frühstück verzichten? Auf das Käsebrot am Mittag? Auf die Lasagne zum Abendessen? Und auf Deine allerliebste Geburtstagstorte? Verzichten möchte niemand gerne. Doch die Wissenschaft ist sich weitgehend einig: Wenn wir die Klimakatastrophe noch abwenden möchten, muss sich auf unseren Tellern einiges ändern. Der hohe Fleischkonsum ist in Sachen Ernährung der Klimakiller Nummer 1 (1,2), aber auch die Massenproduktion anderer tierischer Lebensmittel wie Milch und Eier schadet der Umwelt (3).

Die Zwickmühle, in der sich die Menschen beim Anblick des Steaks auf ihrem Teller und dem Milchshake in ihrer Hand aktuell befinden, hat die Lebensmittelindustrie schon längst erkannt.  Sie hält deshalb immer mehr Ersatzprodukte für tierische Lebensmittel bereit, die dafür sorgen sollen, dass der Verzicht sich nicht wie ein solcher anfühlt. Würstchen aus Tofu, Geschnetzeltes aus Jackfrucht, „Geflügel“salat mit Mykoprotein, Sojadrink und veganer Ei-Ersatz – die Produktpalette ist schier endlos und wächst stetig. Mehr als 60 Marken für Fleischersatzprodukte gab es im Jahr 2020 in Deutschland (4). Auch die Produktionsmenge steigt rasant: Während im 1. Quartal 2019 noch knapp 15 Tausend Tonnen Fleischersatz produziert wurde, war es im selben Zeitraum ein Jahr später mit 20 Tausend Tonnen schon rund ein Drittel mehr (5). Besonders beliebt scheinen dabei neuartige Fleischersatzprodukte wie fleischfreie Burgerpatties, Würstchen und Geflügelfleisch-Ersatz zu sein: So betrug der Anteil dieser Produkte in der Schweiz im Jahr 2020 rund 60 % des Gesamtumsatzes mit Fleischersatzprodukten (6).

Sind Ersatzprodukte nachhaltig?

Nach aktuellem Wissensstand: Ja. Zumindest nachhaltiger als die tierischen Originale. Laut Umweltbundesamt verursacht die Herstellung von Fleischersatz nur einen Bruchteil der Treibhausgasemissionen, die bei der Produktion von Fleischprodukten anfallen (7,8). Auch der Bedarf an Ackerland und Stickstoffdünger könnte durch eine flächendeckend pflanzenbasierte Ernährung deutlich reduziert werden (8). 

Sind Ersatzprodukte gesund?

Jein. Für die veganen Ersatzprodukte spricht, dass sie frei von tierischen Inhaltsstoffen sind. Das steigert ihren Gesundheitswert deutlich. Denn sie liefern beispielsweise kein Cholesterin und keine entzündungsfördernden Purine.

Problematisch ist allerdings, dass die veganen Alternativen häufig viele Verarbeitungsschritte durchlaufen müssen, um beispielsweise von der Sojabohne zum schmackhaften Veggie-Würstchen zu werden. Dabei werden oft zahlreiche Zusatzstoffe, Aromen und hohe Mengen an Salz zugesetzt, die den Gesundheitswert der Ersatzprodukte deutlich schmälern (4,9). Allerdings gilt diese Einschränkung für alle verarbeiteten Produkte – für die tierischen ebenso für die pflanzlichen. Auf unserem Blog kannst du nachlesen, weshalb hoch verarbeitete Lebensmittel Dein Sterberisiko erhöhen und Deine Lebenserwartung senken können und wie viele Fertigprodukte im Alltag „erlaubt“ sind.

Sind Ersatzprodukte lecker?

Das muss jeder für sich entscheiden, denn Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Grundsätzlich gilt: Nur weil Du einmal schlechte Erfahrungen gemacht hast, solltest Du nicht alle Ersatzprodukte per se ablehnen. Denn die Produkte unterscheiden sich stark – sowohl je nach Produktkategorie als auch je nach Marke. Nur weil Dir das vegane „Hackfleisch“ von Hersteller X nicht geschmeckt hat, heißt das nicht, dass das von Hersteller Y Dir ebenso wenig zusagt. Und wenn Dir der vegane Käse nicht gemundet hat, lohnt es sich trotzdem, veganen Joghurt zu probieren.

Beim Vergleich der Ersatzprodukte mit seinen tierischen „großen Brüdern“ sollte man eines nicht vergessen: Die Geschichte der tierischen Produkte reicht oft Jahrtausende zurück. Milchprodukte, Fleisch und Fleischereiwaren werden schon seit Ewigkeiten hergestellt und verzehrt. Es ist logisch, dass die Lebensmittelindustrie in Sachen Ersatzprodukte noch etwas Nachholbedarf hat. Trotzdem lohnt es sich, die Produkte hin und wieder zu probieren – für unsere Umwelt und – in Maßen – auch für Deine Gesundheit.

Neben allem Hype um die veganen Fertigprodukte solltest Du eines immer im Kopf behalten: Am gesündesten ist eine Ernährung mit weitgehend unverarbeiteten und natürlichen Produkten. Es müssen also nicht immer (vegane) Würstchen auf dem Grill liegen, Gemüse und frischer Fisch schmecken mindestens genauso gut. Und der Burger lässt sich statt mit hoch verarbeitetem Patty auch wunderbar mit gegrilltem Pilz oder selbstgemachtem Bohnen-Patty belegen. Ganz ohne Zusatzstoffe, dafür mit umso mehr Geschmack und Vitaminen. Guten Appetit!

Quellen

(1) Intergovernmental Panel on Climate Change (2019): Climate Change and Land. Online unter https://www.ipcc.ch/report/srccl/

(2) R. Harrabin (2019): Plant-based diet can fight climate change – UN. In: BBC. Online unter https://www.bbc.com/news/science-environment-49238749

(3) (1) Willet et al. (2019): Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. In: The Lancet. Online unter https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)31788-4/fulltext

(4) C. Rempe et al. (2020): Fleischersatzprodukte. Seitan, Tofu, Lupino, Quorn – das „Who’s who“ der Fleischalternativen. Bundeszentrum für Ernährung. Online unter https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/orientierung-beim-einkauf/fleischersatzprodukte/

(5) Statistisches Bundesamt (2020): Zahl der Woche: Vegetarische und vegane Lebensmittel: Produktion steigt im 1. Quartal 2020 um 37 %. Online unter https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2020/PD20_30_p002.html

(6) M. Benz (2021): Bereits jeder sechste Burger ist fleischlos. Schweizer Konsumenten kaufen immer mehr pflanzliche Fleischersatzproduke. In: Neue Zürcher Zeitung, 19.5.2021.

(7) T. Jetzke et al. (2020): Die Zukunft im Blick: Fleisch der Zukunft. Trendbericht zur Abschätzung der Umweltwirkungen von pflanzlichen Fleischersatzprodukten, essbaren Insekten und In-vitro-Fleisch. Umweltbundesamt. Online unter https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/die-zukunft-im-blick-fleisch-der-zukunft

(8) G. Eshel (2019): Environmental Optimal, Nutritionally Sound, Protein and Energy Conserving Plant Based Alternatives to US Meat. In: Nature Scientific Reports, Vol. 9, Nr. 10345.

(9) Focus online (2018): Gen-Soja, Mineralöl, zu viel Salz: Nur ein Fleischersatz-Produkt schnitt gut ab. Online unter https://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/vegetarisch_vegan/oeko-tests-vernichtendes-urteil-gen-soja-mineraloel-und-eier-aus-kaefighaltung-die-wahrheit-ueber-fleischersatzprodukte_id_5571539.html

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