Das böse Gluten – wie ungesund es wirklich ist

Ernährung23. Januar 2020

Wir deutschen lieber unser Brot. So sehr, dass es seit dem Jahr 2014 sogar Kulturerbe in Deutschland ist [1]. Doch seit kurzer Zeit bedroht ein neuer Ernährungstrend unser wahrscheinlich leckerstes Kulturgut: Gutenfreies Getreide. Gluten kommt in vielen Getreidesorten vor und wird von manchen Menschen mit bestimmten Erkrankungen nicht vertragen (siehe Info-Kasten „Gut zu wissen“).

Neben Brot, Pasta und Co., das frei ist von Gluten, stehen auch Alternativen zum herkömmlichen Weizen unter Foodies* hoch im Kurs. Die Geister scheiden sich auch an der wichtigsten Getreideart der deutschen Landwirtschaft [2]. Doch wer sollte sich glutenfrei ernähren und was hat das mit Weizen zu tun?

Obwohl nur sehr wenige Menschen von einer Krankheit betroffen sind, im Rahmen derer sie auf Gluten verzichten müssen, boomt der Markt für glutenfreie Lebensmittel [3]. Das liegt daran, dass fast die Hälfte der Menschen, die glutenfreie Lebensmittel kaufen, dies nicht tun, weil sie glutensensitiv sind, sondern weil sie glauben, dass eine glutenfreie Kost generell gesünder ist oder sie beim Abnehmen unterstützt [4].

Damit liegen sie nach aktuellem Wissensstand falsch. Wer gesund ist, muss nicht auf Gluten verzichten und hätte davon auch keinen gesundheitlichen Vorteil. Das wurde kürzlich in einer Studie erneut bestätigt. Während alle Teilnehmer der Studie sich zwei Wochen lang glutenfrei ernährten, bekam die eine Hälfte täglich Gluten verabreicht, während die andere Hälfte ein glutenfreies Placebo erhielt. Die Symptome wie Darmbeschwerden, Schmerzen oder Müdigkeit unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen [5].

GUT ZU WISSEN

  • Gluten ist ein Oberbegriff für Eiweiße, die in Getreide vorkommen. Es wird auch oft als „Klebereiweiß“ bezeichnet, weil es zum Zusammenhalt und zur Elastizität von Teigen beiträgt [5].
  • Weizen enthält relativ viel Gluten, ebenso wie Dinkel. Glutenarm sind Roggen und Hafer. Glutenfreie Lebensmittel sollten zur Sicherheit immer als solche gekennzeichnet sein. Dazu zählen Buchweizen, Mais, Reis und Hirse [6,7].
  • 1 % der Bevölkerung leiden an Zöliakie [8,9], einer lebenslangen Gluten-Unverträglichkeit. Essen die Betroffenen glutenhaltige Speisen, kommt es zu einer Entzündung des Dünndarms, die weitreichende negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann.
  • Wenn Menschen über Beschwerden nach dem Verzehr von glutenhaltigem Essen klagen, kommen neben der Zöliakie auch eine nicht-zöliakische Glutenempfindlichkeit oder eine Weizenallergie in Frage.

Wer über einen längeren Zeitraum Beschwerden vor, während oder nach dem Essen hat und nicht weiß, woher diese kommen, sollte in jedem Fall seinen Arzt aufsuchen und der Ursache auf den Grund gehen.

Wer keine Beschwerden hat, wenn er sich glutenhaltig ernährt, hat auch keinen Grund, auf Gluten zu verzichten. Wenn Du unsicher bist, ob Du Gluten verträgst oder nicht, sprich‘ mit Deinem Arzt oder einer Ernährungsfachkraft darüber.

*Person, die sich für Essen, Ernährung und qualitativ hochwertige Lebensmittel interessiert


Quellen

[1] Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (2020): Deutsche Brotkultur. Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe. Online unter https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/deutsche-brotkultur

[2] P. Henrich (2019): Erntemengen von Getreide in Deutschland nach Art bis 2018. Statista. Online unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28890/umfrage/erntemenge-von-getreide-in-deutschland-seit-1960/

[3] Verbraucherzentrale NRW e.V. (2019): Glutenfreie Lebensmittel: Boomender Markt. Online unter https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe/glutenfreie-lebensmittel-boomender-markt-10939

[4] E. Watson (2013): Health/weight-conscious consumers are driving the gluten-free market, not celiacs, says Mintel. Online unter https://www.foodnavigator-usa.com/Article/2013/10/15/Healthy-eaters-dieters-not-celiacs-propelling-gluten-free-market

[5] I.D. Croall et al. (2019): Gluten Does Not Induce Gastrointestinal Symptoms in Healthy Volunteers: A Dobule-Blind Randomized Placebo Trial. In: Gastroenterology, Vol. 157, S. 881-3.

[6] F. Massholder (2019): Gluten, Hordein, Secalin, Gliadin, Klebereiweiß, Kleber. Online unter https://www.lebensmittellexikon.de/k0000210.php

[7] Deutsche Zöliakie Gesellschaft e.V. (2019): Glutenfreie Ernährung. Online unter https://www.dzg-online.de/glutenfreie-ernaehrung.7.0.html

[8] M. M. Leonard et al. (2017): Celiac Disease and nonceliac Gluten Sensivity. A Review. In: Journal of the American Medical Association, Vol. 318, Nr. 7, S. 647-656.

[9] D. Schuppan, K.-P. Zimmer (2013): Diagnostik und Therapie der Zöliakie. In: Deutsches Ärzteblatt International, Vol. 110, Nr. 49, S. 834-46.

[10] A. Sieb (2019): Wer gesund ist, muss Gluten nicht meiden, bestätigt nun eine Doppelblindstudie. In: MedScape. Online unter https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908259