Gut ein Jahr ist es her, dass wir hier zum ersten Mal über den Nutri-Score geschrieben haben. Seit einem Monat darf das Siegel nun offiziell auf verpackten Lebensmitteln aufgebracht werden (1,2). Ziel des Nutri-Scores ist es, dass wir als Verbraucher die Qualität der Produkte im Supermarkt schneller erkennen können (1). Er soll bestenfalls bewirken, dass wir uns beim Einkauf eher für gesündere Lebensmittel entscheiden. Ob das klappt?

Darüber scheiden sich die Meinungen der Experten. Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft profitieren wir als Verbraucher doppelt vom Nutri-Score: Wir bekommen beim Einkauf ein besseres Gefühl dafür, welche Lebensmittel wir, wenn wir uns ausgewogen ernähren möchten, wählen sollten. Langfristig, so erwartet es das Ministerium, wird uns der Nutri-Score gesündere Lebensmittel bescheren – weil die Hersteller motiviert werden, Rezepturen gesünder zu gestalten, um einen besseren Nutri-Score abdrucken zu dürfen. Dass der Nutri-Score zu einer gesunden Ernährung beitragen kann, hofft auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Jaob Linseisen. Er ist allerdings der Meinung, dass, um das Lebensmittel rundum beurteilen zu können, immer auch ein Blick auf die Zutatenliste und Nährwerttabelle nötig ist (3).

Ein großer Kritikpunkt, den auch der Bundesverband der Verbraucherzentrale sieht, ist die Tatsache, dass der Nutri-Score für die Lebensmittelhersteller freiwillig ist. Denn das Siegel ist gedacht, um Produkte einer Produktgruppe miteinander vergleichen zu können – das funktioniert aber nur, wenn auch viele Produkte das Siegel tragen (3,4). Weil das Siegel unerwünschte Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker oder Süßstoffe ebenso nicht berücksichtigt wie die wichtigen Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe) und sekundäre Pflanzenstoffe, steht auch der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) dem Nutri-Score eher kritisch gegenüber. Da letztere Stoffe unweigerlich Teil einer gesunden Ernährung sind, dürfen sie bei einem Siegel, das eine gesunde Ernährung erleichtern soll, nach Ansicht des BNN nicht ignoriert werden (5).

Ein weiterer Nachteil: Für unverarbeitete Lebensmittel sowie Produkte, die nur aus einer Zutat bestehen (z.B. Olivenöl), ist der Nutri-Score nicht gedacht und auch nicht geeignet. Vielmehr soll er dazu dienen, hoch verarbeitete Produkte besser einschätzen und mit anderen Lebensmitteln der gleichen Produktgruppe vergleichen zu können.

Ob der Nutri-Score uns alle dazu bringt, gesünder zu essen, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Er ist ein weiteres Instrument für uns Verbraucher, um uns im Dschungel der Lebensmittel zurecht zu finden. Sicher hat er noch Verbesserungspotenzial, allerdings ist das Siegel ein guter Anfang. Denn wie schon der chinesische Philosoph Laotse wusste: „Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“.


Quellen

(1) Die Bundesregierung (2020): Nutri-Score – Mehr Transparenz beim Einkauf. Online unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/nutriscore-1777840

(2) Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2020): Der Nutri-Score. In: DGEwissen, Ausgabe 11/2020.

(3) Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2020): Das sagen Experten zum Nutri-Score. Online unter https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittel-kennzeichnung/freiwillige-angaben-und-label/nutri-score/nutri-score-expertenstimmen.html;jsessionid=37C676E56B1E84683C38548C5E342C8B.intranet921

(4) Verbraucherzentrale Hamburg (2020): Der Nutri-Score ist endlich da! Online unter https://www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/der-nutri-score-ist-endlich-da

(5) A. Ruhsert (2020): Bio-Saft Mittelmaß, Cola-Light gut. In: taz. Online unter https://taz.de/Biohaendler-kritisieren-Nutri-Score/!5719188/